Derwischorden

Derwischorden
Dẹrwisch|orden,
 
islamische religiöse Bruderschaft mit dem Ziel der Erlangung mystischer Gotteserkenntnis und -erfahrung (Sufismus). Nach traditionellem, nicht mehr durchweg befolgtem Brauch leben die Mitglieder ständig oder zumindest zeitweilig gemeinsam unter Leitung eines Ordensmeisters (arabischer Scheich, persisch Pir) in Klöstern, die oft aus frommen Stiftungen (Wakf) unterhalten werden. Derwischorden existieren unter Sunniten und Schiiten, im sunnitischen Bereich zeigen sie oft schiitische Neigungen. Einige Derwischorden fühlen sich an Kultvorschriften und Alkoholverbot des islamischen Rechts (Scharia) nicht gebunden. Sie haben eigene Trachten und unterscheiden sich u. a. durch die Art ihrer geistlichen Übungen, die litaneiartige Gebete (Dhikr) mit spezifischen Körperhaltungen und Bewegungen, gelegentliches Sichzurückziehen in die Einsamkeit mit Fasten und wenig Schlaf, Musikhören und ekstatischen Tänzen (so dem bekannten Wirbeltanz der Mewlewije) umfassen. Lehre und geistliche Übungsmethoden werden den Novizen durch Initiation vermittelt.
 
Die Orden sammelten über den Mitgliederkreis hinaus zahlreiche Sympathisanten um sich, denen sie religiöse Unterweisung und oft auch Seelsorge boten. Damit und durch Förderung von Heiligenkulten prägten sie die islamische Volksfrömmigkeit (den »Volksislam«) nachhaltig. Häufig waren sie karitativ tätig (Betreibung von Armenküchen). Ihr sozialer und politischer Einfluss war (und ist zum Teil noch) beträchtlich. Mehrfach wirkten sie staatsbildend, so um 1500 der Safawije-Orden in Persien (Safawiden) und im 19. Jahrhundert der Senussi-Orden in Libyen (Senussi). In der Türkei wurden sie 1925 verboten, gewannen aber wieder an Einfluss. In Ägypten brachte man sie durch staatliche Anerkennung und die gesetzliche Unterstellung unter ein staatliches Gremium teils unter Regierungskontrolle.
 
Entstehungszeit und Verbreitung wichtiger Orden: Kadirije 12. Jahrhundert, von Indien bis Westafrika; Rifaije 12. Jahrhundert, vorwiegend arabisch; die Ahmadija des Ahmad al-Badawi, 13. Jahrhundert, v. a. in Ägypten; Schadhilija, 13. Jahrhundert, ursprünglich Ägypten, Nord- und Ostafrika; Mewlewije 14. Jahrhundert, vorwiegend türkisch; Chalwetije 15. Jahrhundert, Osmanische Reich und Nachfolgestaaten, besonders Albanien; Tidjanija, 19. Jahrhundert, Nordafrika; Orden der Bektaschis.
 
 
I. Abun-Nasr: The Tidjanija. A Sufi Order in the Modern World (1965);
 R. Gramlich: Die schiit. D. Persiens, 3 Bde. (1965-81);
 J. S. Trimingham: The Sufi orders in Islam (Oxford 1971);
 J. W. Frembgen: Derwische. Gelebter Sufismus. Wandernde Mystiker u. Asketen im islam. Orient (1993).

Universal-Lexikon. 2012.

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